Mechanische Prüfung von Schweißnähten
Anwendung: Mechanische Charakterisierung von Schweißnähten für FEM-Berechnung und Qualitätssicherung
Zusammenfassung: Mittels des Eindruckverfahren hach DIN SPEC 4864 wurden punktuelle Spannungs-Dehnungs-Kurven an Widerstandspunktschweißungen (Stahllegierung DC01/1.0330) ermittelt. Diese wurden in Forschungsarbeiten der Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Halle zum Thema „Statische Bemessung von Widerstandspunktschweißverbindungen“ eingesetzt. Basierend auf den experimentellen und numerischen Ergebnissen konnte ein Berechnungsmodell für das Versagensverhalten der Verbindung beschrieben werden. Das Berechnungsmodell ermöglicht die optimierte Auslegung der Punktschweißverbindung. Weiterhin können auch Aluminium-Stahl-Verbindungen (AlMg3 und DC01) analysiert werden. Das Eindruckverfahren liefert detaillierte Informationen über die mechanischen Kennwerte, wie Streckgrenze, Zugfestigkeit und Duktilität, in Punktschweißverbindungen.
Autoren: A. Dumpies [SLV HALLE], Dr.-Ing. F. Koch [SLV HALLE], Dr.-Ing. B. Schmaling [Imprintec GmbH], S. Siegert [Imprintec GmbH], P. Zok [Imprintec GmbH], Dr.-Ing. K. Lindner [Imprintec GmbH]
Üblicherweise wird die Härte einer Schweißzone bestimmt, um die mechanischen Eigenschaften punktuell zu charakterisieren. Diese Analyse liefert erste Hinweise auf die Festigkeit und Möglichkeiten zur Optimierung des Schweißprozesses und der Schweißverbindung. Eine tiefere Analyse der mechanischen Kennwerte „Streckgrenze“ und „Zugfestigkeit“ mit einem herkömmlichen Zugversuch ist nicht möglich. Die Proben für den Zugversuch sind nicht klein genug für die mechanische Charakterisierung jeder einzelnen Schweißzone. Das Verhalten einer Schweißverbindung unter Last kann mit Hilfe von FEM-Simulationen (FEM: Finite-Elemente-Methode) beschrieben werden. Dies beinhaltet einen numerischen Vergleich der Spannung und des Spannungsverhaltens der Schweißverbindung. Das Spannungsverhalten hängt von der Mikrostrukturzusammensetzung im Schweißbereich ab.
Neues Verfahren nach DIN SPEC 4864
Gemäß DIN SPEC 4864, ermittelt das Eindruckverfahren die plastische Spannungs-Dehnungs-Kurve sowie die Vergleichsstreckgrenze, die Vergleichszugfestigkeit und die Duktilität, siehe Abb. 1. Die Vergleichszugfestigkeit RIm, die Vergleichsstreckgrenze RIp0,2 (analog zur Definition von Zugfestigkeit und Streckgrenze aus dem Zugversuch) und die Duktilität sind die definierten Ergebnisse. Bei dem Verfahren werden Härte-Eindrücke optisch dreidimensional vermessen und mit FEM-Simulationen in Übereinstimmung gebracht. Das Eindruckverfahren ermöglicht eine tiefere mechanische Charakterisierung einzelner Eindrücke und sogar in Übergangsbereichen der Schweißzonen. Die Daten können sowohl für Bauteilsimulationen (FEM) als auch für die Qualitätssicherung verwendet werden.
Untersuchung 1: Ermittlung der Kennwerte an einer Aluminium-Stahl-Verbindung
Abb. 1: „Konturplots“ einer Punktschweißverbindung (AlMg3 und DC01); oben: Vergleichszugfestigkeit RIm; unten: Vergleichsstreckgrenze RIp0,2 (Messung)
Eine Widerstandspunktverschweißung von AlMg3 (EN AW 5754) und DC01 (Werkstoffnummer 1.0330) wurde für die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Halle analysiert. Die mechanischen Kennwerte wurden mit der Prüfmaschine „i3D® WLI“ der Imprintec GmbH ermittelt, welche für das Eindruckverfahren entwickelt wurde.
Die punktgeschweißten Verbindungen wurden für die Messung eingebettet und geschliffen. Ein Messraster wurde über den Bereich der Wärmeeinflusszone, der Schweißnaht bis zum Grundwerkstoff gelegt. Abhängig vom Material und der Blechdicke wurden 30 bis 80 Messpunkte gesetzt. Die Messzeit einer Probe mit 30-80 Punkten betrug etwa ein bis zwei Stunden. Die gesamte Messung erfolgt automatisch und der Fortschritt der Prüfung wird kontinuierlich angezeigt.
Die ermittelten mechanischen Kennwerte werden in Form von Tabellenwerten und plastischen Spannungs-Dehnungs-Kurven in der Prüfsoftware angezeigt. Die Daten aus den Fließkurven können exportiert und mit den lokalen Koordinaten der Messpunkte direkt in gängige FEM-Simulationen implementiert werden. Die technischen Spannungen werden als Funktion der plastischen Dehnung dargestellt. Die gemessenen Spannungen und Dehnungen können für die Simulation auch als wahre Spannungs-Dehnungs-Kurven dargestellt werden.
Abbildung 1 zeigt die Konturplots des Festigkeitsgradienten entsprechend der Zugfestigkeit und Streckgrenze an einer Aluminium-Stahl-Verbindung.
Untersuchung 2: Optimierung von Schweißparametern durch FEM-Simulation, gespeist mit punktuellen Spannungs-Dehnungs-Kurven.
Die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Halle setzt das Eindruckverfahren weiterhin als Prüfverfahren in der Forschung zur statischen Bemessung von Widerstandspunktschweißverbindungen ein. Auch Stahl-Stahl-Verbindungen aus DC01 wurden analysiert. Die aus den plastischen Spannungs-Dehnungs-Kurven gewonnenen Daten können für einen Vergleich zwischen mechanischer Beanspruchung und punktueller Beanspruchbarkeit verwendet werden.
Abb. 2: oben: Punktschweißverbindung (DC01), links: technische Spannung; rechts: wahre Spannung; unten: Konturplot der Streckgrenzen- (YS (Rp0,2 – deutsch)) und Zugfestigkeitsentwicklung (UTS (Rm – deutsch)) in der Schweißverbindung.
Aus herkömmlichen Prüfverfahren, wie der Härteprüfung, lassen sich nur begrenzte Aussagen zur Festigkeit der Schweißverbindungen treffen. Zum einen ist die Materialauswahl für eine Neubewertung nach DIN EN ISO 18265 begrenzt, zum anderen liefert die Härteprüfung keine ausreichenden Daten in Form von punktuellen Spannungs-Dehnungs-Kurven und auch keine Streckgrenze.
Im folgenden Teil werden Punktschweißverbindungen unter statischer Belastung bis zum Versagen der Verbindung sowie das resultierende Bruchbild für unterschiedliche Materialdickenkombinationen betrachtet. Hierzu werden praxisnahe Schweißversuche durch standardisierte numerische Materialmodelle beschrieben. Dies ermöglicht die Beschreibung des Schweißprozesses und der Änderung des Mikrogefüges infolge der thermischen Belastung durch den Widerstandspunktschweißprozess. Die Schweißsimulation ermöglicht eine Bestimmung des Schweißbereichs sowie die Darstellung der Eigenspannungen innerhalb der Verbindung.
Abb. 3: Schweiß- und Struktursimulation einer Punktschweißverbindung (Stahl: DC01) im Vergleich zu einer Scherzugprobe.
Abbildung 3 zeigt die Vorgehensweise zur Bestimmung des Bruchbildes am Beispiel einer Scherzugprobe. Die Proben werden verschweißt und anschließend zerstörend geprüft. Die maximalen Scherzugkräfte werden als Funktion des Punktdurchmessers ermittelt. In einem weiteren Berechnungsschritt wird auch die mechanische Spannung im Scherzugversuch abgebildet. Der erreichbare Linsendurchmesser korreliert direkt mit den im Zugversuch erzielten übertragbaren Kräften. Mit diesem Wissen ist es möglich vorherzusagen, ob die Punktschweißverbindung in Form eines Scherbruchs oder eines Ausknöpfbruchs versagen wird. Die mit den punktuellen Spannungs-Dehnungs-Kurven aus das Eindruckverfahren gespeiste FEM-Simulation liefert Informationen über die Versagensart.
Des Weiteren werden die punktuellen plastischen Spannungs-Dehnungs-Kurven aus dem Eindruckverfahren in einer elastisch-plastischen Verformungssimulation verwendet. Die Ergebnisse ermöglichen die Entwicklung eines Berechnungsmodells für das Versagen, das zur Optimierung der Punktschweißverbindung eingesetzt werden kann. Das Eindruckverfahren liefert zuverlässige Ergebnisse zur Bewertung der punktuellen Beanspruchbarkeit der Punktschweißverbindung.
Anwendungen und Vorteile des Eindruckverfahrens nach DIN SPEC 4864 in der Fügetechnik
Aus der Bestimmung der plastischen Spannungs-Dehnungs-Kurve und dem Mehrwert der Streckgrenze gegenüber der Härteprüfung ergeben sich folgende Anwendungen und Vorteile des Eindruckverfahrens:
- Bestimmung der lokalen plastischen Spannungs-Dehnungs-Kurve für die detaillierte FEM-Modellentwicklung
- Qualitätssicherung von Punktschweißverbindungen während der Produktion
- Qualitätssicherung basierend auf punktueller Streckgrenze, Zugfestigkeit und Duktilität
- Aussagekräftigere Werte über die Materialfestigkeit, auch in Übergangszonen, als die klassische Härteprüfung
- Im Anschluss an FEM-Schweißsimulationen oder elastisch-plastische Verformungssimulationen ergeben sich Optimierungsmöglichkeiten
- Zerstörende Bauteilprüfungen können zukünftig vermieden werden